Unser Haus Brennt immer noch

Wissenschaftler, Aktivisten und der Papst werfen der deutschen Politik zu wenig Einsatz beim Klimaschutz vor. Das gemeinsame Haus der Menschen brennt, und niemand geht löschen.

Zweiter Teil zum Artikel über „CO2-Budget„.

Unser gemeinsames Haus

Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika „Laudato Si“ (ÜBER DIE SORGE FÜR DAS GEMEINSAME HAUS) über die Umwelt- und Klimakrise die Methapher von der Erde als dem „Gemeinsamen Haus“ aller Menschen verwendet. Das kostenlose Buch trifft den Stand der Wissenschaften gut und wurde von Klimawissenschaftlern gelobt.

Greta Thunberg

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat diese Metapher in ihren Reden weiter ausgeführt als sie auf dem World Economic Forum (WEF) in Davos sagte „Unser Haus Brennt“.

Greta Thunberg ist mir vor einigen Monaten zunächst nicht bekannt geworden als die Initiatorin der Fridays for Future Bewegung. Zunächst habe ich in ihr die erstaunliche junge Frau gesehen, die schon mit 15 die wissenschaftlichen Zusammenhänge verstanden hat, für die ich Jahrzehnte gebraucht habe und die die Fähigkeit hat, in ihren Reden den Finger auf die Wunde zu legen.

Deswegen ist es erfreulich, dass sie für die junge Generation eine Sprecherin wurde. Klimawissenschaftler haben den Scharfsinn von Greta Thunberg in den höchsten Tönen gelobt:

Kevin Anderson, Klimawissenschaftler

„Ich habe in den Gesprächen mit ihr oft den Eindruck, mit einer jüngeren Kollegin unseres Instituts zu diskutieren, aber nicht mit einer Jugendlichen. Greta weiß unglaublich viel über den Klimawandel, und sie lernt ständig dazu. […]
Sie ist sehr wohl Expertin – für Kommunikation. Sie schafft es, Unmengen von Informationen zu prägnanten, einfachen, ehrlichen Botschaften zusammenzufassen. Diese Expertise hat uns bislang gefehlt.“

Interview mit dem Klimawissenschaftler Kevin Anderson im Spiegel

Mit ihrem Aufruf zum Schulstreik hat Greta Thunberg viele Kinder und Jugendliche für den Umweltschutz gewonnen. Dafür hat ihr nun Papst Franziskus im Vatikan gedankt. Doch auch die schwedische Klima-Aktivistin bedankte sich beim Pontifex.

Internetportal der Katholischen Kirche in Deutschland

Unser Haus brennt immer noch

Am 28. Nov 2019 hat das europäische Parlament eine Resolution zum „Klima- und Umweltnotstand“ verabschiedet. Sie „fordert die Kommission zudem auf, dafür zu sorgen, dass alle relevanten Gesetzes- und Haushaltsvorschläge vollständig mit dem Ziel übereinstimmen, die Erderwärmung auf unter 1,5°C zu begrenzen.“

Diese Resolution erkennt an, dass die bisher getroffenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die Klimakrise zu bewältigen. Und dieses Anerkennen eines Mißstands ist ein Schritt in die richtige Richtung. Außerdem ist es bemerkenswert, dass man sich zum 1,5 °C Ziel bekannt hat, auch wenn die Maßnahmen diesem Ziel nicht gerecht werden.

Jedoch hat sich in den letzten Monaten im Wesentlichen keine Verbesserung ergeben.

Der „Emission Gap Report“ der UN zeigt jährlich die Lücke zwischen der notwendigen und der tatsächlichen Handlung der Staaten auf. Und diese Lücke ist gewaltig. Die Rufe nach Klimaschutz werden immer verzweifelter.

Greta Thunberg hat dies im März 2020 in einer Rede im europäischen Parlament adressiert:

Im November 2019 deklarierte das europäische Parlament einen Klima- und Umweltnotstand. Sie sagten, dass die EU den Kampf gegen die existenzielle Gefahr der Klimakrise anführen würde. Und das waren wundervolle Neuigkeiten. Als Ihre Kinder den Feueralarm auslösten, sind sie aus dem Haus gegangen, haben sich umgesehen und den Rauch gerochen. Und Sie haben bestätigt „Ja, das Haus brennt tatsächlich, das war kein Fehlalarm“. Aber dann gingen Sie zurück ins Haus, haben Ihr Abendessen beendet und Sie gingen zu Bett, ohne auch nur die Feuerwehr zu rufen.

Es tut mir leid, aber das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn Ihr Haus brennt, dann warten Sie nicht noch ein paar Jahre, bevor Sie mit dem Löschen beginnen.

Aber das ist genau, was die Kommission heute vorschlägt. Wenn die EU dieses Klimagesetz präsentiert mit Netto-Null Emissionen im Jahr 2050, kapitulieren Sie indirekt. Sie geben auf. Sie geben das Pariser Klimaabkommen auf. Sie geben Ihre Versprechungen auf. Sie geben es auf, alles zu tun, was Sie nur tun können, um eine sicher Zukunft für Ihre eigenen Kinder sicherzustellen. Denn dieses Gesetz basiert auf einem unzureichenden CO2-Budget, das uns wirklich eine Chance von viel weniger als 50% auf eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5°C lässt.

Und jedes Klimagesetz, das nicht auf den aktuell besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, und das weder die globalen Aspekte der Gerechtigkeit, noch den sofortigen Beginn von Emissionsreduktionen berücksichtigt, ist natürlich vollständig unzureichend.

Solch ein Gesetz sendet ein starkes Signal, dass wirklich zureichende Handlungen stattfinden, wenn das in Wirklichkeit gar nicht geschieht.
Die ganze Wahrheit ist, dass weder das Bewusstsein, noch die notwendige Politik in Sichtweite sind. Wir sind immer noch in einer Krise, die noch niemals wie eine Krise behandelt wurde. […]

Vor allem haben wir keine Zeit.[…]

Der Inhalt der Klimabudgets wurde noch nie in der umgesetzten Politik berücksichtigt. Und sie wurden noch nie ausreichend in den Mainstream-Medien berücksichtigt. Und hier sind Sie, und Sie schaffen erneut Gesetzte, die die Klimabudgets ignorieren.

Sie tun so, als würden Ihre Pläne oder Ihre Politik unter Ignoranz der vereinigten Wissenschaften irgendwie doch die größte Krise lösen, der die Menschheit je gegenüberstand.[…]

Sie tun so, als könnten Sie ein Anführer im Klimaschutz sein und gleichzeitig neue Infrastruktur basierend auf fossilen Energieträgern bauen und subventionieren. [Applaus]

Sie tun so, als würde die Ignoranz der Aspekte von Fairness und Gerechtigkeit kein Risiko für einen kompletten Zusammenbruch der Pariser Klimakonvention darstellen.

Sie tun so, als könnten leere Worte diese Krise beenden. Das muss aufhören.

Keine Politik, kein Plan oder Deal wird auch nur annähernd ausreichend sein, solange Sie weiterhin das CO2-Budget ignorieren, das zur Zeit anzuwenden ist. Wir brauche nicht nur Ziele für 2030 und 2050, wir brauchen noch viel mehr Ziele für 2020 und jedes darauf folgende Jahr.
Wir müssen unsere Emissionen drastisch an der Quelle reduzieren, und zwar jetzt. Ihre fernen Ziele werden gar nichts bedeuten, wenn die hohen Emissionen von heute noch ein paar Jahre so fortgesetzt werden, weil dies unser verbleibendes Budget aufbrauchen wird, noch bevor Sie eine Gelegenheit haben, Ihre Ziele für 2030 oder 2050 umzusetzen.

Da die Technologien für Negative Emissionen, auf denen dieses Gesetz vollständig aufbaut, zur Zeit nicht in großem Maßstab existieren, und das vielleicht auch niemals tun werden, müssen wir einfach unser Verhalten ändern, unsere Gesellschaft ändern.

Und das ist die unangenehme Wahrheit, der Sie nicht entkommen können, ganz gleich wie sehr Sie sich das wünschen oder wie sehr sie es versuchen. Und je länger Sie vor dieser Wahrheit davonlaufen, umso größer wird Ihr Betrug an Ihren eigenen Kindern sein.

Die EU muss den Weg weisen. Sie haben die moralische Pflicht, das zu tun. Und Sie haben eine einzigartige politische und ökonomische Gelegenheit, ein echter Anführer im Klimaschutz zu werden.

Sie selbst haben erklärt, dass wir in einem Klima- und Umweltnotstand sind. Sie selbst haben gesagt, dass dies eine existenzbedrohende Gefahr ist. Nun müssen Sie zeigen, dass Sie das auch meinen.

Und wir werden nicht mit weniger als einem auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierendem Weg zufrieden sein, der uns die beste Chance für einen Schutz der zukünftigen Lebensumstände gibt, für die Menschheit und das Leben auf der Erde wie wir es kennen.

Alles andere ist Kapitulation. Dieses Klimagesetz ist Kapitulation. Weil die Natur nicht verhandelt. Und Sie können nicht mit der Physik feilschen. [Applaus]
Wir werden Ihnen nicht erlauben, unser Zukunft aufzugeben.
Danke.

Greta Thunberg am 4.3.2020 bei einer Rede vor dem Europäischen Parlament. Übersetzung von Bernd Herd

Greta Thunberg erhielt im Europäischen Parlament stürmischen Applaus für diese Rede.

Wissenschaftliche Rezeption

Das Video der Rede von Greta Thunberg wurde von den Scientists 4 Future auf der Leitseite Ihrer Homepage verlinkt. Man darf wohl annehmen, dass sie die Aussagen aus der Rede unterstützen.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung SRU hat ein aktualisiertes Gutachten zum Klimaschutz erstellt, wie es alle 4 Jahre erstellt wird. Darin berichtet er:

„Erstens fehlt es an Transparenz darüber, welches Gesamtbudget an Treibhausgasen der deutschen Klimapolitik zugrunde liegt. Zweitens besteht ein Ambitionsdefizit, das heißt die nationalen Ziele stellen noch keinen ausreichenden Beitrag zum globalen Klimaschutz dar. Drittens gibt es ein Umsetzungsdefizit, da die Klimaziele wiederholt nicht erreicht wurden.“

Umweltgutachten 2020 des Sachverständigenrats für Umweltfragen

Die CDU/CSU Fraktion hat eine beißende Pressemitteilung dazu veröffentlicht:

„Nicht weiter führt uns dagegen eine mitunter bemühte Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen der Corona-Pandemie und dem Klimawandel. Das zeugt eher von der Angst mancher Klimaexperten, medial nicht mehr stattzufinden.[…]

Fundierte Politikberatung durch Experten­gremien im Rahmen eines rechtlich klar abgesteckten Auftrags liefert eine wertvolle Orientierung für eine wirksame und praxistaugliche Politik. Um dies leisten zu können, muss der SRU auch in der kommenden Ratsperiode von 2020 bis 2024 ausgewogen besetzt sein und ein Ort des wissenschaftlichen Diskurses bleiben.“

Pressemittelung CDU/CSU-Fraktion Georg Nüsslein

Klingt für mich wie „Wissenschaftler, die uns so widersprechen, müssen um ihren Posten bangen“. Der bekannte Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf hat dazu einen Artikel im Spiegel geschrieben.

Dennoch behauptete die Umweltministerin noch in der Woche, bevor das SRU-Gutachten vorgestellt wurde: „Also, erst mal hat der Weltklimarat kein Budget ausgerechnet. Das stimmt einfach nicht.“ Dass es einfach doch stimmt, kann jeder online nachlesen.[…]

Der Bundestag hat diesem Abkommen am 22. September 2016 ebenfalls zugestimmt. Doch seither wollen die Regierungsparteien am liebsten nicht darüber reden, was das Pariser Abkommen für unser Emissionsbudget bedeutet – wohl weil dabei offensichtlich würde, wie ungenügend die deutschen Klimaziele sind. Der neue SRU-Bericht nennt dies die „Ambitionslücke“.

Stefan Rahmstorf im Spiegel: CDU/CSU kontert Umweltgutachten

Das ZDF hat auch einen Artikel über das neue SRU-Gutachten in Frontal 21 vom 28. April 2020 veröffentlicht.

„Die Klimaschutzbemühungen reichen überhaupt nicht aus und alle Länder müssten jetzt in einen Krisenmodus fallen um so schnell wie möglich Klimaemissionen zu vermindern. Mehr Klimaschutz vorschlagen. Und das sehen wir leider derzeit noch nicht.“ […]

Deutschland dagegen liegt beim Klimaschutz dagegen auf den hinteren Plätzen. Note: Highly Insufficient.

Niklas Köhne vom New Climate Institut in Frontal 21.

Eine offizielle EU-Studie des „European Strategy and Policy Analsysis System“ hat das so formuliert:

An increase of 1.5 degrees is the maximum the planet can tolerate; should temperatures increase further beyond 2030, we will face even more droughts, floods, extreme heat and poverty for hundreds of millions of people; the likely demise of the most vulnerable populations – and at worst, the extinction of humankind altogether.

Global Trends to 2030. Challanges and Choices for Europe

Persönliche Interpretation

Seit Jahren lese ich ausführliche Berichte zur Klimaforschung. Während die wissenschaftliche Situation in der Klimaforschung mittlerweile glasklar ist, begreift kaum ein Bürger, wie sehr unsere Gesellschaft bereits mit dem Rücken zur Wand steht.

Klimawandel ist nicht umkehrbar

Besonders wichtig ist dabei, dass der Klimawandel im Wesentlichen nicht umgekehrt werden kann. Ganz anders als bisherige Umweltprobleme wie NOx-Ausstoss oder sauerer Regen. Würden wir heute unsere Emissionen beenden, dann würde die bisherige Erwärmung im Wesentlichen für tausende von Jahren fortbestehen.

Das heißt, dass die erhöhte Wahrscheinlichkeit in Deutschland für solche Dürren wie 2018 und 2019 oder für die Waldbrände in Australien würden sich erst in tausenden von Jahren wieder vollständig auf das frühere Niveau reduzieren.

Aber selbst wenn wir sehr ambitionierten Klimaschutz betreiben werden, ist eine weitere Erwärmung auf 1,5°C völlig unvermeidlich. Und dann werden die Schäden noch deutlich größer sein als jetzt. Und sie werden dann für tausende von Jahren nicht mehr verschwinden.

Daher gibt es dieses „Budget“, das angibt, wie viel CO2 wir insgesamt in den nächsten Jahren noch emittieren dürfen, bevor wir die 1,5°C Schwelle überschreiten. Und je schneller wir emittieren, umso schneller ist unser Budget aufgebraucht. Die Überlegungen der Wissenschaftler laufen darauf hinaus, dass wir jedes Jahr die Emissionen um ca. 7% reduzieren müssen. Das ist eine echte Herausforderung! Und je länger wir das hinausschieben, um so schwieriger wird es.

Klimaschutz ist eine Zukunftsinvestition

Wirtschaftswissenschaftler sagen ganz klar, dass Investitionen in Klimaschutz deutlich mehr zukünftige Kosten verhindern, als sie in der Gegenwart verursachen. Klimaschutz hat also eine hohe Rendite.

Damit diese Rendite sich aber auch für die heutigen Investoren lohnt, müssen durch staatliche Akteure Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Kosten für klimaschädliches Verhalten in der Gegenwart abbilden.

Klimaschutz ist eine Gerechtigkeitsfrage

Wenn man das verfügbare weltweite CO2-Budget gleichmäßig auf alle lebenden Menschen aufteilt, dann müsste Deutschland bis ca. 2037 CO2-Neutral werden. Stattdessen setzen die Europäischen Regierungen darauf, bis 2050 CO2-Neutral zu werden.

Dies basiert impliziert auf dem Ansatz, dass alle Staaten weltweit in derselben Zeit ihre Emissionen um 50% reduzieren müssen. Dass also in den 15 Jahren, in denen Deutschland seine Emissionen von heute an um 50% reduziert, auch China seine Emissionen um 50% reduzieren müsste.

Nur bedeutet dies für den durchschnittlichen Deutschen, dass er in 15 Jahren noch immer ca. 5 t CO2 pro Jahr emittieren würde, während der durchschnittliche Inder in dieser Zeit nur noch 1 t CO2 pro Jahr emittieren dürfte. Es dürfte für jeden einleuchtend sein, dass die wirtschaftlich schwächeren Staaten diese Sichtweise nicht als gerecht empfinden und auf dieser Ebene nicht kooperieren werden.

Diese Sichtweise wird von Klima-Ethikern als „Grandfathering“ bezeichnet und gilt als ethisch nicht legitimiert:

Anders als in der Klimapolitik mit ihrem Interesse an Bestandssicherung findet das Grandfathering in der Klimaethik nur wenig Fürsprecher.[…] Nach Auffassung der großen Mehrheit der Klimaethiker sind die bisher eingeschlagenen Umsetzungsstrategien noch zu stark von dem Wunsch nach Aufrechterhaltung bestehender Strukturen und Beibehaltung herkömmlicher wirtschaftspolitischer Ziele bestimmt, um der globalen Bedrohung durch den Klimawandel angemessen zu begegnen.

Es ist insofern nicht verwunderlich, dass nahezu alle Philo­sophen, die schwerpunktmäßig im Bereich der Klimaethik arbeiten – unabhängig davon, von welchen ethischen Theorien sie im Einzelnen ausgehen -, gegenüber der gegenwärtig praktizierten Klimapolitik eine dezidiert kritische Haltung einnehmen. Noch stärker als im vergleichbaren Fall der Tierethik mit ihrer überwiegend kritischen Einstellung gegenüber der bestehenden Praxis der Tiernutzung ist in der Klimaethik die Überzeugung dominant, dass die gegenwärtige Form des Umgangs mit den klimatischen Gefahren mit so gut wie keinem in der Ethik vertretenen Ansätze vereinbar ist.[…] aus keiner ethischen Perspektive erscheint die gegenwärtige Übernutzung der Aufnahme­­kapazität des Klimasystems mora­lisch vertretbar

Dieter Birnbach: Klimaethik. Nach uns die Sintflut? Stuttgart: Phillip Reclam jun. GmbH & Co KG, 2016, S. 44f. ISBN 978-3-15-011079-9.

Hier ist dann gerne die Rede von CO2-Zertifikaten, die die ärmeren Staaten den wohlhabenderen Staaten verkaufen könnten. Die in den Klimaverhandlungen von den G20 Staaten diskutierten Ansätze laufen aber darauf hinaus, dass wir ärmeren Staaten Geld anbieten werden, damit sie auf wirtschaftliche Entwicklung verzichten, damit wir auf diese Weise mehr als unseren Anteil verbrauchen könnten. Das heißt in 15 Jahren würden wir den Indern noch Geld dafür geben, auch noch einen Teil ihres Budgets an uns abzutreten, damit wir statt 5 t CO2 im Jahr eben 6 t CO2 im Jahr verbrauchen dürfen. Das ändert nichts an der grundsätzlichen Unfairness dieses einseitigen Budgets.

Klimaschutz ist kein Detailproblem

Das Umweltbundesamt schätzt die Schäden aus CO2-Emissionen auf ca. 180 € / t CO2. Die CO2-Emissionen in Deutschland liegen bei ca 11 t CO2 je Bürger und Jahr. Demnach lastet jeder Bürger im Mittel seinen zukünftigen Mitbürgern im Jahr 11 * 180 € = 1980€ / Jahr auf. Für eine vierköpfige durchschnittliche Familie also 7920 € / Jahr. Auf die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland von 78 Jahren hochgerechnet 154.440 € pro Person.

Manche Bürger emittieren mehr, andere weniger als der Durchschnitt. Der primäre Einflussfaktor ist dabei nicht die Grüne Lebenshaltung, sondern das Einkommen. Menschen mit Naturschutzinteressen und hohem Einkommen emittieren tendenziell mehr als Menschen mit niedrigem Einkommen, die kein Interesse an Klimapolitischen Fragen haben.

Es sind weltweit vor allem die reichen Menschen, die durch ihren extremen Konsum zum Klima­wandel beitragen.

Oxfam: Die reichsten 10 Prozent verursachen die Hälfte der weltweiten Treibhausgase

Man erkennt, dass keine Chance besteht, dass die derzeitige Generation der nächsten Generation die Welt in einem besseren Zustand hinterlassen könnte als dem, in welchem wir sie angetroffen haben.

161. Die verhängnisvollen Prognosen dürfen nicht mehr mit Geringschätzung und Ironie betrachtet werden. Wir könnten den nächsten Generationen zu viel Schutt, Wüsten und Schmutz hinterlassen. Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil, da er unhaltbar ist, nur in Katastrophen enden kann

Papst Franziskus in „Laudato Si“

Klimaschutz gibt es nicht umsonst

Wir haben gute Techniken, mit denen wir Klimaschutz deutlich billiger umsetzen können als es die Schäden aus mangelndem Klimaschutz wären.

Aber die Rendite dieser Techniken fällt erst in der Zukunft an. Für diejenigen unter uns, die nicht zur Rücksicht auf zukünftige Generationen bereit sind, erscheinen deren Kosten oft nicht akzeptabel. Aber diese Haltung ist ethisch nicht vertretbar.

Außerdem verursachen die verfügbaren Techniken Veränderungen in der Lebensweise. Die Landschaft verändert sich, denn da werden Windkraftwerke und Solarparks in der Landschaft sichtbar. Ein Teil der Ackerflächen werden nicht mehr für Energiepflanzen sondern für Photovoltaikanlagen und Windkraftwerke benötigt. Elektroautos haben eine geringere Reichweite und neue Bahnanlagen und Radwege brauchen Platz.

Viel teurer allerdings wäre es, keinen Klimaschutz zu betreiben. Es hat einige Zeit gedauert, bis Wirtschaftswissenschaftler eine Haltung entwickelt haben, die mit der Haltung von Physikern vereinbar war. Aber mittlerweile gibt es auch die Wirtschaftswissenschaftlichen Modelle, die klar zeigen, dass zu wenig Klimaschutz die teuerste Möglichkeit ist.

Persönliche Verantwortung

Selbst ambitionierten Aktivisten fällt es mehrheitlich schwer, ihr Verhalten in Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu bringen. So wird dann gerne der Bau von Photovoltaikanlagen begrüßt, aber die energetische Sanierung des eigenen Hauses unterlassen. Oder im Urlaub ein Fernflug gebucht.

Daher ist es wichtig, dass politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, um klimaschonendes Verhalten zum Normalfall werden zu lassen. Klimaschonendes Verhalten muss also einfacher und billiger werden als klimaschädliches Verhalten. Als wichtigstes Werkzeug hierfür wird zur Zeit eine CO2-Bepreisung diskutiert. Die derzeitigen Beschlüsse der Regierung sind aber völlig unzureichend, um diese Ziele zu erreichen.

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