Private Erfahrungen mit der Energetischen Sanierung unseres Hauses

Bernd Herd Bernd Herd, Mitglied der Ortsgruppe Bürstadt der GRÜNEN.

Zusammenfassung

Immer wieder erscheinen in Presse und Fernsehen Beiträge, die gezielt Zweifel an der Nützlichkeit energetischer Sanierungen für Privatleute streuen.

Da wird teilweise unterstellt, die Wärmedämmung von Häusern hätte kaum Potential zur Einsparung von Heizenergie. Da wir bei der Sanierung unseres Hauses ganz andere Erfahrungen gemacht haben, möchte ich diese hiermit veröffentlichen.

Im Winter 2010/2011 wurde in unserem Haus ein Wärmedämm-Verbundsystem der Außenwände und neue Fenster gemäß den Minimal-Vorgaben für eine Förderung durch die KfW angebracht.

Unmittelbar in Folge ging der Energieverbrauch von durchschnittlich 42300 kWh pro Jahr auf 16600 kWh zurück, Eine Einsparung von 60,7% unmittelbar in Folge der Isolation.

Gasabrechnungen
Gasabrechnungen saniertes Haus 2004 bis 2020

In den darauf folgenden Jahren konnte durch weitere Optimierungen, insbesondere bei der Steuerung der Heizung, der Energieverbrauch weiter gesenkt werden. Er betrug in den letzten 5 Jahren 12347 kWh pro Jahr, was einer Einsparung von 71% gegenüber dem langjährigen Mittelwert vor der Sanierung entspricht.

Für mich überraschend war die hohe Bedeutung einer optimal angepassten Steuerung für den Erfolg der Einsparmaßnahmen. Gewöhnlich geht man davon aus, dass eine Wärmedämmung nur optimale Einsparerfolge zeigt, wenn zugleich die Heizung auf den niedrigeren Energieverbrauch des Hauses angepasst wird, unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass man mit einer intelligenten Steuerung viel aus einer alten Heizungsanlage herausholen kann, ohne die eigentliche Heizungsanlage zu erneuern.

Das Haus vor der Sanierung

Unser Haus wurde in den 60er Jahren gebaut und verbrauchte bis
zur Sanierung im Winter 2010/2011 im Mittel ca. 42300 kWh Gas / Jahr
für ca. 160qm Wohnfläche, bewohnt von einer Familie mit 2 Kindern.
Dabei wurden kleinere energetische Verbesserungen im Vergleich zum
Standard der 60er Jahre durchaus schon durchgeführt, das Haus hatte

Wir hatten im Haus schon mehrfach im Herbst oder Winter Probleme mit Schimmel aufgrund von Wärmebrücken, weil an schlecht isolierten Stellen leicht die Feuchtigkeit der Luft kondensieren konnte, was nach einigen Wochen unweigerlich zu Schimmel führt.

Der Anlass für die Sanierung war ein Problem, das nichts mit der Heizung zu tun hatte: Ein Kellerraum war nass von außen und daher mußte Außen eine Menge saniert werden, mit der Folge dass das Efeu am Haus starb und ein neuer Verputz fällig war, das war dann der Anlass für die Einleitung der energetischen Sanierung.

Sanierungskonzept

Energetische Sanierung lohnt sich wirtschaftlich nur, wo sowieso Sanierungmassnahmen erforderlich sind und die Isolation nur die ohnehin notwendigen Sanierungen teurer macht, sie aber nicht erst verursacht. Die mehrkosten für eine energetisch effiziente Umsetzung sind wirtschaftlich sinnvoll. Das heiß das Anbringen einer Außenisolation und neuer Fenster lohnt sich nur, wo das Haus sowieso neu verputzt werden muss und die Fenster ohnehin schon verbraucht sind.

Bei den Fenstern tritt der Sonderfall auf, dass für eine optimale Isolation die Fenster so weit aus er Wand heraus angebracht werden sollten, dass es zwischen Fenster und Isolation keine Wärmebrücke entsteht, das kann praktisch nur erfolgen, wenn der Wechsel der Fenster und die Anbringung der Isolation gemeinsam erfolgen. Daher wurden bei uns:

  • An den Wänden ein Wärmdämm-Verbundsystem angebracht.
  • Alle Fenster durch moderne hoch isolierende dreifachverglaste Fenster ersetzt.
  • Die alten Glasbausteine durch hoch isolierende Fenster ersetzt.
  • Die Haustür ersetzt.
  • Der Posteinwurfschlitz direkt ins Haus durch einen Briefkasten vor dem Haus ersetzt.
  • Regenabflussrohre, Handleisten an der Treppe und 1000 andere Details angepasst.
  • In den leicht zugänglichen Bereichen die Kellerwände aufgegraben und mit einer Perimeterdämmung versehen.

Die Heizungsanlage haben wir nicht ausgewechselt. Eine Lüftungsanlage haben wir nicht eingebaut.

Einsparergebnisse

Die folgende Grafik zeigt die Verbrauchswerte verschiedener Winter in unterschiedlichen Farben. Die X-Achse gibt die Tage Vor/Nach dem 1.1. des jeweiligen Jahres an. Die Y-Achse gibt den Gasvebrauch lt. Gaszähler in m³ an. Der Winter 2010/2011 in dem die Isolation angebracht wurde, ist in Braun gezeichnet. Man erkennt deutlich, dass die Verbrauchsmessungen mit dem Anbringen der Isolation im November drastisch abgefallen sind und dann nie wieder auf die alten Verbrauchshöhe zurückkehrten:

Gasverbrauch in verschiedenen Heizperioden

In der nachfolgenden Grafik wurden anstelle der Verbrauchswerte in m³ die von den Energieversorgungsunternehmen in Rechnung gestellten Verbrauchswerte in kWh zugrunde gelegt, da es im Laufe der Zeit kleine Schwankungen in den Umrechnungsfaktoren gibt, die unter Anderem mit der chemischen Zusammensetzung der Gaslieferungen zusammenhängen. Damit die Messwerte Vergleichbar sind, wurden nur solche Abrechnungen benutzt, deren Zeitraum in Etwa ein ganzes Jahr betrug:

Gasverbrauchsabrechnungen eines energetisch sanierten Hauses
Gasverbrauchsabrechnungen eines energetisch sanierten Hauses

Man erkennt, dass im Winter 10/11 die Abrechnung noch in mittlerer Höhe war, weil am Anfang des Winters die Isolation noch nicht angebracht war, und danach die Werte deutlich kleiner sind als früher.

Stromeinsparung

Ein Überraschender Effekt war die Verringerung des Stromverbrauchs im Winter. Da die Heizungsanlage zu vielen Zeiten gar nicht mehr gebraucht wird, kann auch der Strom für Kessel und Umwälzpumpen eingespart werden. Dies scheint größenordnungsmäßig um 500 kWh Strom / Jahr auszumachen, ist aber nicht genau bezifferbar, da wir für die Heizung keinen eigenen Zähler haben.

Wohnkomfort

Der Komfort in der Wohnung ist durch die Isolation deutlich besser geworden, weil es nicht mehr so zieht. In einer nicht isolierten Wohnung muss die Luft viel mehr Wärme von den Heizkörpern zu den Wänden transportieren, daher ist die notwendige Temperaturdifferenz und die notwendige Luftbewegung größer.

Schimmelprobleme hatten wir seit der Sanierung keine mehr. Die Sanierung hat diese Probleme also erfolgreich behoben.

Im Sommer bleibt das Haus bei hohen Temperaturen tags besser kühl, wenn man es über Nacht mit offenen Fenstern auskühlen lässt.

Auf dem Balkon und auf der Terrasse sind 14cm Breite durch die Dicke der Isolation verlorengegangen, was den Komfort verringert.

Rentabilität

Bei der Betrachtung der Rentabilität müssen einige Annahme zugrunde gelegt werden. Insbesondere können nicht die Gesamtkosten der Sanierung den energetischen Einsparungen gegenübergestellt werden, denn das Haus hatte zuvor ja alte Fenster, und jetzt sind es neue. Wenn wir annehmen, dass Fenster eine Nutzungsdauer von 35 Jahren haben und wir die alten Fenster noch 10 weitere Jahre hätten nutzen können, dann müsste man den Preis für Fenster der alten, schlechten Isolationsqualität für 35-10=25 Jahre von den Kosten der energetischen Sanierung abziehen. Dasselbe gilt für den ohnehin erforderlichen Putz und das Gerüst, die aufgrund der Efeu- Schäden am Haus ohnehin fällig gewesen wären.

Daher schätzen wir die Kosten für die energetische Sanierung hiermit mal mit 70.000 € (Incl Mwst.). Dieser Wert ist deutlich höher als die Kosten, die in wissenschaftlichen Analysen (z.B. der Dena) im Allgemeinen zugrunde gelegt werden. Davon gehen ca. 5.000 € Förderung durch die KfW ab.

Dem stehen jährliche Einsparungen an Gaskosten beim derzeitigen Gaspreis von ca. 2270€ gegenüber. Dazu kommen noch ca. 120 € / Jahr für die Stromersparnis.

Dementsprechend muss die Isolation eine Lebensdauer von ca. 30 Jahren erreichen, um ihren Kaufpreis wieder an Heizkosten einzusparen, das wird voraussichtlich klappen.

Ob dies also wirtschaftlich ist, hängt wesentlich von den Randbedingungen der Frage ab, was als wirtschaftlich betrachtet wird:

  • Welche Kapitalbeschaffungskosten (Zinsen) werden angesetzt? Falls das nötige Kapital vorhanden ist: Auf deutsche Staatsanleihen werden zur Zeit winzige Zinsen von < 1 % bezahlt, unter Berücksichtigung der Steuer auf die Zinsen entsteht für viele Geldanlagen eine negative Rendite. Auch die gesetztliche Rentenversicherung hat tendenziell voraussichtlich für meine Generation eine negative Verzinsung. Daher ist die Rentabilität der energetischen Sanierung vermutlich gegeben.
  • Falls das nötige Kapital nicht vorhanden ist: Dann muss es mit Kapitalkosten von den Banken geliehen werden.
  • In den letzten Jahrzehnten sind die Kosten für Gas schneller gestiegen als die Reine Geldentwertung (Inflation). Falls der Gaspreis schnell steigen sollte, wird die Rentabilität höher.
  • Allerdings muss man sich fragen, welche andere Maßnahme in Frage käme, um dieselbe Menge an CO2 zu diesen Kosten einzusparen.

Gaspreisentwicklung

Die zukünftige Gaspreisentwicklung ist unsicher.

Laut http://de.wikipedia.org/wiki/Gaspreis ist der Gaspreis in US $ zwischen 1970 und 2013 von $0.17 auf $4.25 gestiegen. Laut http://www.usinflationcalculator.com/ entsprechen $ 0.17 des Jahres 1970 $ 1.02 des Jahres 2013. Damit ist der Gaspreis im Vergleich zur Inflation in den letzten 40 Jahren um ca. 3,4% im Jahr gestiegen.

Bei dieser Steigerungsrate wäre die Einsparung an Gaskosten in 35 Jahren nicht mehr 1750€ im Jahr, sondern 5600€ im Jahr, und zwar inflationsbereinigt.

Dazu kommt die CO2-Bepreisung, mit der Deutschland ja auch 2021 anfangen wird und die weiter steigen wird.

Wenn die Menschheit sich im Angesicht des Klimawandels vernünftig verhielte, würde sie jedes Jahr mindestens 3% CO2 einsparen, so dass auch ca. 3% fossile Energieträger im Jahr eingespart würden, was eine Einsparung an Gas von 100% in 30 Jahren ergäbe, der Gaspreis wäre dann sicherlich nicht so hoch. Allerdings würde dann sicherlich um diese Einsparung zu bewirken eine hohe Steuer auf das Gas entfallen, dann käme es wohl auf dasselbe heraus.

Wissenschaftler haben geschätzt, dass das CO2 Problem gelöst wäre, wenn je Tonne CO2 eine Gebühr von 180 € pro Jahr angesetzt würde, das wären bei 5t CO2 Einsparung durch die Isolation ca. 900 € pro Jahr und in 35 Jahren 31500 € inflationsbereinigt.

CO2-Einsparung

29800 kWh Gas-Einsparung pro Jahr entsprechen ca. 5,9t CO2/Jahr. Bei einer Lebensdauer von 35 Jahren sind das 209 t CO2.

Vergleich von Energetischer Sanierung mit Photovoltaik

Interessant ist noch der Vergleich mit der Installation einer PV-Anlage. Wenn nur begrenztes Investitionskapital zur Verfügung steht, dann könnte man mit 70000 € ca. 5 Dächer mit einer 10 kW Peak Photovoltaik belegen. Jede dieser Anlagen würde ca. 9000 kWh Strom / Jahr liefern. Im Vergleich zu Kohlestrom würde das also ca. 9 t CO2/Jahr einsparen. Über 20 Jahre bei 7 Anlagen ergeben sich 1260 t CO2 Einsparung für denselben Investitionsbetrag.

Allerdings stimmt das nur, solange die Photovoltaik-Anlage nicht abgeregelt werden muss, weil der produzierte Strom nicht benötigt wird. Bislang ist das noch fast nicht der Fall. Aber das wird sich in den nächsten Jahren verändern, wie man leicht an den aktuellen Werten zu Stromversorgung und erneuerbaren Energien im Agorameter nachvollziehen kann.

Außerdem sind PV-Flächen nicht unbegrenzt vorhanden. Wenn ich die Dachfläche von 5 Häusern mit PV belegen muss, um 1 Haus zu heizen, womit beheize ich dann die anderen 4 Häuser?

Wenn man die Energie aus im Sommer produzierten PV-Strom für den Winter zum Heizen nutzt, dann wird ein fürchterlich schlechter Wirkungsgrad die Rentabilität im Vergleich zu einer energetischen Sanierung verderben.

Daher sehen alle Studien zur Sektorkopplung die energetische Sanierung als wichtiges Element der Energiewende vor.

Technologische Details

Zur technischen Umsetzung der Steuerungsverbesserungen und der Stromeinsparung ein paar Details:

Durch die Wärmeisolation konnte die Vorlauftemperatur stark abgesenkt werden. Die Steuerung Buderus Logamatic M 2107 aus dem Jahr 2002 erlaubt dazu die Einstellung einer Heizkennlinie. Dadurch wurde nicht nur die Vorlauftemperatur abgesenkt, sondern auch die mittlere Temperatur des Heizkessels. Das ist sehr wichtig nach der Dämmung von Häusern!

Der alte Heizkessel von ca. 1990 hat 34 kW Heizleistung und hohe Stillstandsverluste, grob geschätzt etwa 2kW. Seine Temperatur darf im Betrieb nicht unter 40°C fallen, weil er sonst rosten würde. Daher habe ich alles darauf optimiert, den Kessel so oft wie möglich abzuschalten. Insbesondere hat die Steuerung die Einstellung „Außenhalt“ statt „Nachtabsenkung“. Das bedeutet, dass bei Außentemperaturen über ca. 0°C die Heizung über Nacht nicht nur abgesenkt, sondern komplett abgeschaltet wird. Ist es noch kälter, dann schaltet sich die Heizung automatisch ein. Das geschieht fast nie.

Die Steuerung hat außerdem die Fähigkeit, im Sommer bei Erreichen einer Mindest-Außentemperatur von 13°C die Heizung komplett abzuschalten. Der Heizkessel wird dann kalt.

Dadurch werden neben dem Brenner auch die Umwälzpumpen für die beiden Heizkreise abgeschaltet, was Strom spart.

Individuelle Programmierung

Als Regelungstechnik-Ingenieur habe ich darüber hinaus eine individuell programmierte Steuerungslösung entwickelt. Die Heizungssteuerung Buderus Logamatic M 2107 ist über ein Schnittstellenmodul km271 und eine galvanische Entkopplung an unser NAS-Gerät angeschlossen, auf dem Linux läuft.

Dort läuft ein fhem Heimserver. Fhem hat ein umfangreiches km271 Schnittstellenmodul für die Logamatic M 2107 und kommuniziert auch per Funk mit den intelligenten Heizreglern in den Zimmern. Wenn die Heizregler der Zimmer per Funk melden, dass es in den Räumen um 5 Uhr morgens warm genug ist, dann bleibt die Heizung morgens komplett aus und der Kessel bleibt kalt. An Wochenenden wird etwas später eingeschaltet. Die fhem-Steuerung kennt Urlaubs- und Feiertage.

Je nach Wochentag wird beim mäßiger Kälte morgens nach dem Frühstück, wenn die Kinder in der Schule sind, die Heizung bis Mittags wieder abgeschaltet. In meinem Büro bleibt es dann ohnehin warm, weil dann die Computer heizen.

Umgekehrt wird die Heizung an kalten Tagen Abends später abgeschaltet als an nicht so kalten Wintertagen. An kalten Tagen heizen wir bis 21:00 Uhr. In der Übergangszeit (Herbst / Frühling) nur bis 18:00 Uhr.

Die Abschaltung der Heizung ist dahingehend optimiert, dass fhem bei der Abschaltung wartet, bis der Heizkessel im Zyklus so kalt ist, dass er gleich einschalten würde. Dadurch wird die Restwärme des Kessels noch genutzt, um sie ins Haus zu pumpen.

Warmes Wasser fordern wir bei Bedarf über Funktaster oder die Telefonanlage an. Die Warmwassertemperatur hatte ich früher immer wegen der Legionellengefahr bei 60°C, mit der neuen Steuerung ist das warme Wasser jetzt nur noch 45°C und einmal in der Woche wird für 6 Stunden auf 60°C hoch geheizt.

Wenn die beiden intelligenten Heizkörperregler in Dusche und Badezimmer keinen Wärmebedarf melden, wird die Umwälzpumpe für diesen Heizkreis abgeschaltet. Das Bad wird nur Morgens und Abends und zum Baden beheizt, die Dusche nur zum Duschen.

Fhem protokolliert dabei viele Zwischenwerte und bereitet sie grafisch auf. Hier z.B. musste morgens ein wenig geheizt werden und Abends wurde gebadet:

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