CO2-Freisetzung durch entwässerte Moore

Jüngere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass entwässerte Moore sehr große Mengen an CO2 freisetzen. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser CO2-Freisetzungen je Hektar sind weit höher als der Wert der auf diesen Flächen erzielbaren landwirtschaftlichen Erträge. Wissenschaftler empfehlen der Wiedervernässung der meisten Moore und Nutzung in Paludikultur.

Während CO2 Emissionen aus der Abholzung von Wäldern schon seit langem in Klimaberichten berücksichtigt werden, sind Emissionen aus Mooren erst seit 10-15 Jahren berücksichtigt und daher in vielen Überlegungen noch nicht einbezogen.

Bürstadt war früher umgeben von Mooren (Sümpfen). Unsere Vorfahren haben das Land für die Landwirtschaft nutzbar gemacht, indem sie Entwässerungsgräben gegraben und das unerwünschte Wasser in den Rhein abgeleitet haben. Dies hat wesentlich zur Entwicklung unserer Region beigetragen. Das Südhessische Ried war früher eine dünn besiedelte Sumpflandschaft.

Diese Entwässerungsgräben durchziehen bis heute die Landschaft im Südhessischen Ried. Sie sind aber nur noch selten mit Wasser gefüllt.

Torfaufbau

Moore sind Gebiete, in denen das Grundwasser bis an die Oberfläche heran reicht. Das Wasser ist zu großen Teilen so sauerstoffarm, dass absterbende Pflanzenteile nicht vollständig verwesen und als Torf zurückbleiben. Über Jahrtausende können meterhohe Schichten aus Torf entstehen.

Werden die Moore entwässert, so gelangt Sauerstoff an die Torfschicht, diese zersetzt sich und gibt dabei große Mengen an CO2 ab. Im Extremfall kann ein Hektar Moor bis zu 70 Tonnen CO2 abgeben, entsprechend volkswirtschaftlichen Kosten von 70 * 180 € = 12600 € / Jahr. Es ist vollkommen aussichtslos, diese Kosten durch übliche landwirtschaftliche Nutzung als Acker zu erwirtschaften. Daher gehen Wissenschaftler davon aus, dass der Großteil der entwässerten Moore bis 2050 wieder vernässt werden sollte.

Emissionen

Die emittierte CO2 Menge je Hektar hängt von der Höhe des Grundwasserspiegels und der Dicke der Torfschicht ab. Als Faustregel werden 37 tCO2 / Hektar für als Acker genutzte Flächen angesetzt wenn diese Daten nicht genauer bekannt sind.

Moore um Bürstadt

Das Greifswalder Moorforschungszentrum hat auf seinem Webserver eine Karte mit den verfügbaren Daten von Mooren in Deutschland zum Download als ESRI-Shapefile bereit liegen.

Durch Import dieser Daten in das freie GIS-System qgis und Kombination der Daten mit der Straßenkarte Openstreetmap habe ich diese Landkarte erstellt, in der die Moore in der Gemarkung Bürstadt in kräftigem Grün eingezeichnet sind:

Karte der Moore in Bürstadt. ©Openstreetmap.

Emissionsanteil

Durch Vergleich der Gesamtfläche der Moore mit der Gesamtfläche Bürstadts habe ich ermittelt, dass ca. 6,8% oder 228 Hektar der Gemarkung Bürstadt entwässerte Moore sind. Unter der Annahme, dass Bürstädter Einwohner ebenso viel CO2 emittieren wie der durchschnittliche Deutsche bedeutet dies, dass 4,7% der Bürstädter CO2 Emissionen alleine durch die entwässerten Moore entstehen. Dies entspricht laut Greifswalder Moorschutz Zentrum in etwa dem bundesweiten Durchschnitt.

Bei 180€ / t CO2 entspricht dies einen volkswirtschaftlichen Schaden von 1,52 Millionen € pro Jahr.

Handlungsempfehlungen

Das Greifswalder Moorschutz Zentrum hat eine Broschüre „KLIMASCHUTZ AUF MOORBÖDEN. Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele“ herausgegeben, in denen die Wissenschaftler Handlungsempfehlungen geben. Dabei gehen die Wissenschaftler ab Seite 68 davon aus, dass nur ein sehr kleiner Teil der Emissionen langfristig toleriert werden sollte, weil anderenfalls andere Emissions-Sektoren wie z.B. die Landwirtschaft noch stärker unter Druck geraten, um Emissionen einzusparen oder negative Emissionen zu erreichen. Daher ist die Empfehlung:

„Acker: Ausstieg aus der Ackernutzung auf Moorböden bis 2030;[…]

Siedlungen: Wiedervernässung von zwei Drittel der Siedlungsfläche auf entwässertem Moor bis 2050″

Abel, S., Barthemes, A., Gaudig, G,, Joosten, H., Nordt, A. & Peters, J. (2019) Klimaschutz auf Moorböden – Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele. Greifswalt Moor Centrum-Schriftenreihe 03/2019 (Selbstverlag, ISSN 2627-910X), 84S. https://www.greifswaldmoor.de/files/images/pdfs/201908_Broschuere_Klimaschutz auf Moorböden_2019.pdf

Wiedervernässung

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Wiedervernässung entwässerter Moore durch Beenden der Entwässerung erfolgt. Es soll kein zusätzliches Wasser wie z.B. Grundwasser dafür benutzt werden.

Die Aufgabe des Ackerlandes ohne die Vernässung wäre nutzlos und diese erfordert gründliche Planung:

Detaillierte hydrologische Vorplanungen sind für die erfolgreiche Wiedervernässung und somit für eine substantielle Reduktion von Treibhausgasen nötig. Hydrologische Begutachtung und Fachplanung, ökologische Baubegleitung und fachkundiges Personal auf allen Ebenen sichern die erfolgreiche Umsetzung von Wiedervernässung.

Abel, S., Barthemes, A., Gaudig, G,, Joosten, H., Nordt, A. & Peters, J. (2019) Klimaschutz auf Moorböden – Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele. Greifswalt Moor Centrum-Schriftenreihe 03/2019 (Selbstverlag, ISSN 2627-910X), 84S.

Paludikultur

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Wiedervernässung von Mooren aus Artenschutzgründen gewöhnlich mit der Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung verbunden. Für den Klimaschutz müssen dagegen weit größere Flächen wiedervernässt werden. Es wäre nicht vernünftig auf die landwirtschaftliche Nutzung so großer Flächen zu verzichten.

Daher arbeiten die Wissenschaftler an neuen Bewirtschaftungsformen mit denen eine Nutzung des Bodens möglich ist, während er nass ist. Dabei wird nicht der Naturzustand des Moors erreicht, aber die CO2 Emission dennoch um 90% reduziert. Dies erfolgt unter der Bezeichnung „Paludikultur„.

Bauern benötigen für die Umstellung Unterstützung in vielfacher Hinsicht:

  • Fachliche Beratung.
  • Berücksichtigung der Paludikultur in EU-Förderungen.
  • Finanzielle Unterstützungen für den Umstieg (Neue Maschinen, Lagerhallen…)

Umsetzbarkeit in Bürstadt

Der Großteil der Moore in Deutschland ist entwässert. Dies setzt ca. 6 % des insgesamt von Deutschland emittierten CO2 frei. Aus diesem Grund haben die Forscher des Greifswalder Moorschutz Zentrums angesetzt, fast alle Moore wiederzuvernässen.

Allerdings scheint mir die Wiedervernässung der Bürstädter Moore schwer umzusetzen. In den letzten 60 Jahren ist der Grundwasserspiegel bei Bürstadt um ca. 4 Meter gefallen:

Die Ursache hierfür ist mindestens teilweise die Entnahme von Tiefengrundwasser, das nach Frankfurt gepumpt wird.

Viele Menschen haben Häuser gebaut unter der Annahme, dass der Grundwasserspiegel nie wieder so hoch werden würde, wie er vor 60 Jahren war. Daher haben bereits die weniger niedrigen Pegelstände in den 2000er Jahren zu hohen Schäden geführt. Auch Verwandte von mir waren betroffen:

Der überwiegende Teil dieser betroffenen Gebäude ist Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre zu Zeiten niedriger Grundwasserstände errichtet worden, leider zumeist ohne die für diese feuchtigkeitsgeprägte Landschaft erforderliche planerische und bauliche Sorgfalt.

[…]Seit 1989 gibt es im Hessischen Ried eine künstliche Anreicherung des Grundwassers durch Infiltration von aufbereitetem Rheinwasser. Damit wird der Grundwasserstand so gesteuert, dass bestimmte „Richtwerte“ angestrebt werden, die im Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried vorgegeben sind. Bei hohen Grundwasserständen wird kein Wasser eingeleitet, so dass es durch Infiltration nicht zu Vernässungsproblemen kommt.

Regierungspräsidium Darmstadt: „Grundwasserproblematik Hessisches Ried

Rückmeldung von Wissenschaftlern

Mit diesen Fragen bin ich per E-Mail an Frau Dr. Franziska Tanneberger vom Greifswald Moor Zentrum herangetreten und sie hat recht klar geäußert, dass aus ihrer Sicht eine individuelle genaue Betrachtung nicht unterlassen werden sollte:

Generell – ja, die Entwässerung der Moore muss schrittweise eingestellt werden, andernfalls emittieren sie weiter Jahr für Jahr große Mengen CO2. Ganz grob geschätzt liegen die Emissionen bei entwässertem Grünland bei knapp 30 t CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr, bei Acker sogar bei mehr 37 t (siehe S. 11). Mit solchen Faustzahlen können auch die Emissionen für ganze Gebiete grob geschätzt werden.

Eine  massive  Grundwasserabsenkung  ist  problematisch,  aber es muss immer  im  Detail  geguckt werden, wie die Situation ist. Unsere Moore haben sich zumeist in natürlichen Senken, Flussauen, etc. gebildet und dort kann die Situation besser sein. Ebenso bei den Kellern – es kann, muss  aber  nicht  ein  Problem  sein, und es muss individuell geprüft werden.

E-Mail von Dr. Franzsika Tanneberg vom 16.7.2020.

Auf Empfehlung von Frau Tanneberg habe ich mich noch an Herrn Prof. Dr. Markus Roehl gewandt, der in Baden-Württemberg an Mooren forscht und auch seine Rückmeldung ist recht eindeutig:

Ich habe auf der Baden-Württembergischen Seite des Gebietes schon gearbeitet. Südlich der Grenze kommen zum Teil flachgründige Niedermoortorfe und auch sogenannte Anmoore (nur noch wenige Dezimeter mächtige Torfe im Übergang zu den restlichen mineralischen Böden) vor. Zum Teil in sehr schlechtem Zustand. Für das hessische Ried habe ich leider noch keine Bodenkarte gefunden, deshalb kann ich Ihnen nicht wirklich antworten. Allerdings ist es in der Rheinebene häufig so, dass Moore gar nicht so selten sind und diese sind in der Regel intensiv landwirtschaftlich genutzt (wie im hessischen Ried). Hier haben wir dann sehr häufig die hohen Treibhausgasemissionen, die von Franziska ihnen genannt wurden.

Besonders absurd wird es dann wenn auf den Äckern noch Mais für Biogas angebaut wird. Der Mais soll dann erneuerbare Energie erzeugen, die Treibhausgase aus fossilen Brennstoffen ersetzen…

E-Mail von Prof. Dr. Markus Roehl vom 21.7.2020.

Moore im Kreis Bergstraße

Abschließend noch eine Karte der Moore im Kreis Bergstraße. In der östlichen Hälfte des Kreises im Odenwald gibt es keine Moore. Die Emissionen aus Mooren sind im Klimaschutzplan der Stadt Bensheim „Masterplan 100 % Klimaschutz“ von 2014 noch nicht berücksichtigt.

Karte der Moore im Kreis Bergstraße. ©Openstreetmap.

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Bernd Herd Entwässerte Moore und Paludikultur

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