CO2-Preise: Effektiv, effizient und sozial gerecht?

Ich habe am 17. Dezember einen Vortrag von Prof. Dr. Grischa Perino, Professor für Sozialökonomie an der Universität Hamburg über das Thema „CO2-Preise: Effektiv, effizient und sozial gerecht?“, organisiert von
den Scientists for Future Frankfurt gehört. Der Vortrag ist nicht online zu sehen.

Der Vortrag hat ca. 1,5 Stunden gedauert.

Die Folien waren markiert mit „Cluster of Excellence, Climate, Climate change and Society (CLICCS)“
https://www.cliccs.uni-hamburg.de/.Diese Zusammenfassung ist gemäß meinen Notizen und meinem Gedächtnis erstellt. Die meisten Fehler darin sind wohl meine Fehler und nicht die von Herrn Perino.

Einleitung

Eingeleitet hat Herr Prof. Perino seinen Vortrag mit einigen Informationen zum Stand der Emssionen. Beispielsweise mit einem Verweis auf den United Nations Emission Gap Report 2019:
https://www.unenvironment.org/resources/emissions-gap-report-2019
Dieser besagt im Wesentlichen, dass die Zusagen der Staaten zur Emissionsreduktion nach dem Pariser Klimaabkommen bei weitem nicht ausreichen, um die Klimaerwärmung auch nur annähernd unter 2 Grad zu halten, und dass außerdem diese Zusagen zu großen Teilen noch nicht in nationale Politik umgesetzt sind.Danach hat er Zahlen für Deutschland angesprochen. Nach einem Szenario der deutschen Regierung (Verkehrsministerium?) wird der Verkehr in Deutschland als Referenz-Szenario (Ohne Klimaschutz-Maßnahmen) im Jahr 2030 154 Mto (Megatonnen) CO2 im Jahr emittieren. Zielgröße wären etwas 95 Mto / Jahr.

Umweltverschmutzung und der Markt

Danach hat er eine kleine Einführungsvorlesung zu Marktwirtschaft und der üblichen Integration der Umweltschäden in die Neoklassische Ökonomie gehalten. Eine einfache Modellierung des Marktes sieht als Symbolisches Schaubild ungefähr so aus:

Schaubild der Marktpreisfindung ohne externe Kosten
Schaubild der Marktpreisfindung ohne externe Kosten

Gemäß der Neoklassischen Wirtschaftstheorie steigen die Kosten für die Produktion von Gütern in der Regel mit der Anzahl der Güter an. Dagegen sinkt der erzielbare Preis für Güter in der Regel je mehr derartige Güter im Angebot verfügbar sind. Die Marktteilnehmer sind die Anbieter von Waren und die Konsumenten von Waren. Im eingeschwungenen Zustand verhalten sich die Marktteilnehmen so, dass sich ein Preis P* so einstellt, dass eine Menge X* hergestellt wird, bei dem eine höhere Produktion der Güter keine weitere Gewinnsteigerung der Anbieter mehr ermöglichen würde. Die Darstellung von Angebot und Nachfrage als Geraden im Schaubild dienen nur der einfacheren Darstellung. In praktischen Szenarien sind das keine Geraden. Wenn es keine Geraden sind, dann stellt sich das Gleichgewicht dort ein, wo die Grenzkosten (also die Kosten für die Herstellung einer weiteren Einheit des Produkts) sich mit der Grenznachfrage decken.Die hier blau schraffierte Fläche ist die „Marktrente“, das ist der gesamte Wohlstandsvorteil, den die Marktteilnehmer durch die Teilnahme am Markt erzielen können.

Externe Kosten

Ein Teil der Kosten eines Produkts entsteht nicht beim Anbieter oder Konsumenten des Produkts. Diese werden als „Externe Kosten“ bezeichnet. Das sind Kosten, die nicht bei den Marktteilnehmern (Konsumenten / Anbietern) entstehen, sondern bei Dritten. Zu den externen Kosten zählen unter Anderem die Kosten durch Umweltverschmutzung. Natürlich leiden auch die Marktteilnehmer unter den externen Kosten, aber sie bilden sich nicht in ihren Marktentscheidungen ab. Da der Markt einen starke Neigung aufbaut, das Verhalten um den Schnittpunkte der Kurven von Angebot und Nachfrage zu halten, ist es für die Marktteilnehmer kaum möglich, diese externen Kosten in Ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Das bezeichnet man es als „Marktversagen“.Um das Modell des „Markts“ so zu modifizieren, dass die externen Kosten angemessen berücksichtigt werden, werden in der Theorie die externen Kosten zu den privaten Kosten hinzuaddiert. Die Summe aus privaten und externen Grenzkosten sind die sozialen Grenzkosten. Dies wird auch als „Verursacherprinzip“ bezeichnet:

Schaubild der Marktpreisfindung mit externen Kosten
Schaubild der Marktpreisfindung mit externen Kosten

Die CO2-Kosten verschieben also das Marktgleichgewicht vom Punkt (X*, P*) in den Punkt (Xs, Ps). Im Diagramm ist der durch die Marktteilnahme erreichbare Gesamt-Wohlstandsgewinn „Gesamtrente“ blau eingefärbt. Sie ist kleiner als die Rente ohne Berücksichtigung der externen Kosten. Jedoch hat es diese Chance für zusätzlichen Wohlstand nie gegeben, da im Marktgleichgewicht ohne externe Kosten der hier rot markierte „Wohlstandsverlust im Marktgleichgewicht“ entsteht.

CO2-Bepreisung

Herr Perino hat daraufhin erläutert, dass die Forderung der Fridays For Future-Bewegung nach einer CO2-Bepreisung von 180€ / Tonne CO2 sich auf eine Studie des Umweltbundesamts bezieht.
https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#textpart-5. Er hat erläutert, dass diese Zahlen sich auf Wirtschaftsmodelle zur Modellierung der externen Kosten für CO2 beziehen, für deren ersten frühe Modelle Herr Nordhaus kürzlich den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat. Jedoch hat das ursprüngliche Modell von Nordhaus die Schäden für künftige Generationen niedriger gewichtet, was zu einem niedrigeren CO2-Preis führte. Nach den ursprünglichen Modellen von Herrn Nordhaus wäre die wirtschaftlich optimale Klimaerwärmung auf etwas 3,5 Grad Celsius gekommen, was nach heutigem Stand der Klimawissenschaften als viel zu gefährlich gilt. Die Modelle des Umweltbundesamts wichten die Schäden für zukünftige Generationen etwas höher, verwenden aber immer noch eine „Zeitpräferenz“ von 1% pro Jahr. Dadurch kommt man auf einen CO2-Preis von 180€/Tonne CO2 für das Jahr 2016. Der Preis steigt im Laufe der Zeit weiter an und liegt für 2030 bei 205€/Tonne CO2. Wertet man das Wohlergehen zukünftiger Menschen ebenso hoch wie derzeitige Menschen, so kommt man lt. Umweltbundesamt auf einen CO2-Preis von 640€/Tonne CO2. Anmerkung von mir: Auch der Preis von 640€/Tonne geht immer noch davon aus, dass die Menschheit es über Jahrhunderte hinweg schafft, ein Wirtschaftswachstum zu erarbeiten, ohne Wirtschaftswachstum wären die Werte noch viel höher. Wieder zurück zu Herrn Perino: Für das Jahr 2030 wäre demnach ohne Abwertung zukünftiger Generationen ein CO2-Preis von 670€/Tonne CO2 angemessen.

FFF-Forderung

Die Forderung der Fridays-For-Future Bewegung von sofort 180€/t CO2 basiert also auf den Zahlen des Umweltbundesamts.„FFF Fordert genau das, was im Lehrbruch der neoklassischen Ökonomie steht.“

Wirkung der CO2-Bepreisung

  • Emissionen werden Teurer
  • Sie werden aber nicht direkt vermieden.
  • Das geschieht erst, wenn sich dadurch Entscheidungen verändern, z.B. Investitionsentscheidungen oder Konsumentscheidungen.
  • Es entstehen Anreize, Emissionen zu vermeiden.
  • Auf andere Güter auszuweichen.
  • Saubere Technologien entwickeln & nutzen
  • Klimaschutz wird zum Geschäftsmodell.
  • Das gilt auch für Konsumenten: Anreiz Konsum- und Verhaltensmuster zu verändern.

Vorteil eines CO2-Preises

Im Vergleich zu anderen Möglichkeiten zum Klimaschutz (z.B. Verboten, Subventionen, Planwirtschaft…):

  • Erreichen eines gegebenen Ziels zu geringstmöglichen Kosten
  • Lässt individuelle Freiheit zu
  • Macht Klimaschutz finanziell attraktiver, auch für Menschen, die nicht intrinsisch motiviert sind.

Bewertung des Klimapakets

Herr Perino hat dann ein bisschen zur Bewertung des Klimapakets der Bundesregierung gesagt. Er hat sich dabei hauptsächlich auf Studien bezogen, die eine Gruppe um Herrn Edenhofer (Leiter des Potsdamer Institus für Klimanfolgenforschung) erarbeitet hat.https://www.mcc-berlin.net/fileadmin/data/B2.3_Publications/Working%20Paper/2019_MCC_Bewertung_des_Klimapakets_final.pdf Dabei ist er insbesondere darauf eingegangen, dass auch die Modifikation durch den Bundesrat aus dem Klimapaket keine auch nur annähernd ausreichende Lösung macht. Bemerkenswert ist auch das Schaubild der Edenhofer-Studie auf Seite 8: Die von der Regierung vorgesehene Mittelverwendung für die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung führt zu eine deutlich höheren Belastung der finanziell schlechter gestellten Haushalte als die Klimadividende und die Absenkung der EEG-Umlage ist sozial nahezu ebenso gerecht wie die Klimadividende. Das finde ich persönlich auch deswegen bemerkenswert, weil die gerade auch von den GRÜNEN im Bundesrat erstrittene Erhöhung der CO2-Bepreisung insbesondere benutzt werden soll, die EEG-Umlage zu senken, was also nach der Studie von Herrn Edenhofer sozial vorteilhaft ist.

Diskussion

Nach dem Vortrag von Herrn Perino war noch etwas Zeit für eine Diskussion mit den Besuchern. Besonders notiert habe ich mir den Satz „Man kann alle Instrumente politisch so gestalten, dass sie wirkungslos sind“. Herr Perino hat auch den Unterschied zwischen einer CO2-Bepreisung als CO2-Steuer und als Emissionshandel erläutert, aber die Auffassung geäußert, dass die CO2-Bepreisung des Klimapakets zwar formal ein Emissionshandel, praktisch aber eine Steuer darstellt. Der Unterschied sei im Wesentlichen die Behandlung der Preis-Unsicherheit. Mit einem Emissionshandel habe man Kontrolle über die Emissionen, aber kann den Preis nicht genau vorhersagen. Mit einer Steuer hat man Kontrolle über den Preis, kann aber die Emissionen nicht genau vorhersagen. Für die Lenkungswirkung ist jedoch nur der resultierende Preis bedeutend. Ich habe mir daher dazu keine Notizen gemacht. Hier ist ein Youtube-Video von ihm, das dieses Sachverhalt erläutert:

Bei der Diskussion wurde auch noch erwähnt, dass die CO2-Bepreisung nach dem Verständnis von Herrn Perino zwischen allen Nationen einheitlich sein sollte. Dass also auch ärmere Länder nur dann eine Tonne CO2 ausstoßen sollten, wenn der zu erwartende Nutzen die Kosten für den CO2-Schaden übersteigt.

Anmerkungen meinerseits

Die durchschnittlichen CO2-Emissionen der Deutschen liegen je Person unter Einbeziehung der CO2-Emissionen, die in anderen Ländern durch den Kauf von Konsumgütern und Rohstoffen entstehen in der Größenordnung von 11 tCO2/Jahr. Demnach würde eine realistische CO2-Bepreisung für eine 4-Köpfige Familie ca. 8000€/Jahr anders verteilen, also erhebliche Beträge, die zwischen Wohlstand und Ruin entscheiden können. Die Ausgestaltung dieser Frage ist eine entscheidende Frage des 21. Jahrhunderts. Diese Kosten einfach den nächsten Generationen aufzulasten, kann diese überfordern. Wissenschaftler warnen davor, dass das menschliches Leid in noch nie gekanntem Ausmaß verursachen könnte. Der Papst z.B. formuliert das so:

161. Die verhängnisvollen Prognosen dürfen nicht mehr mit Geringschätzung und Ironie betrachtet werden. Wir könnten den nächsten Generationen zu viel Schutt, Wüsten und Schmutz hinterlassen.[…]“

http://w2.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html

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