Bürstadt lehnt Projektgesellschaft für Lampertheimer Solarpark ab

Bernd Herd Bernd Herd, Mitglied des Ortsverbands Bürstadt.

Die Energieried GmbH, die eine Tochtergesellschaft der Stadt Bürstadt, Stadt Lampertheim und der Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk Bergstraße AG (GGEW) ist, hat einen Plan zur Entwicklung einer 5 MegaWatt Photovoltaik-Anlage vorgestellt, der am 20.5.2020 in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bürstadt diskutiert und abgelehnt wurde.

Die Presse berichtete darüber, z.B. im Mannheimer Morgen als „Bürstadt lehnt Lampertheimer Solarpark ab„.

Der Solarpark-Plan

Enregieried, GGEW und Entega wollten gemeinsam eine Tochtergesellschaft gründen, die mit Geldern der drei Gründer, der KfW und Bürgergeld als nachrangige Darlehen auf einer Fläche von 5 Hektar direkt neben der Zugsteckte Bürstadt – Mannheim, die bisher als Acker genutzt wurde, eine 5 Megawatt Freiflächen-Photovoltaikanlage aufbaut. Die Flächen sind im Eigentum der Stadt Lampertheim und bisher an einen Bauer verpachtet. Der Pachtvertrag läuft aus.

Kontroverese

Das Projekt wurde auch bei uns im GRÜNEN Ortsverband Bürstadt kontrovers diskutiert. Da die Presseberichte die Argumente doch recht einseitig wiedergeben, möchte ich nachfolgend auch die diskutierten Argumente wiedergeben, die in der Presse nicht erwähnt wurden.

Kontra-Argumente

Zunächst mal eine kurze Zusammenfassung der in der Presse diskutierten Argumente:

  • Die Benutzung von 5 Hektar Ackerfläche für Photovoltaik nimmt den Bauern 5 Hektar Fläche zur Produktion von Agrargütern. Vertreter der Bauern sehen darin eine Verletzung ihrer Interessen. Der Lampertheimer Bauer Willi Billau hat sich dazu sehr einseitig auf Facebook zu Wort gemeldet.
  • Das von den Investoren vorgesehene rechtliche Konstrukt wurde insbesondere von Erhard Renz von der grünen Fraktion der GRÜNEN Bürstadt kritisiert. Das Konstrukt hat zur Folge, dass die Städte Bürstadt und Lampertheim nach Installation der neuen GmbH keinen Einblick in die Geschäftstätigkeit erhalten.
  • Es sollten zunächst Dachflächen für die Installation von PV-Anlagen genutzt werden.
  • Dass Solardächer erfolgreich zu installieren sind, zeigt die Energiegenossenschaft Starkenburg.

Pro-Argumente

Ich möchte das Ackerflächen-Argument hier abschwächen.

Gesamtbedarf an Sonnenenergie

Um den Klimawandel zu begrenzen, muss Deutschland in spätestens 30 Jahren praktisch seinen gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energien decken. Die Fridays for Future fordern dies sogar schon in 15 Jahren und es gibt gute Argumente für diese Forderung.

Mehrere wissenschaftliche Quellen sagen, dass die gesamte Dachfläche aller Gebäude in Deutschland bei weitem nicht ausreicht, den von der Sonnenenergie zu leistenden Beitrag zu erbringen.

Die Bundesarbeitsgruppe Energie der GRÜNEN hatte zu diesen Fragen am 16. und 17. Mai eine virtuelle Sitzung gemeinsam mit der Bundesarbeitsgruppe Agrar, bei der ausführlich über diese Fragen diskutiert wurde. Je nachdem, wie viel Fläche für Windkraft-Installation und Energiepflanzen man annimmt, kommt man auf einen Flächenbedarf von 1,5 bis 4 % für Photovoltaik-Anlagen zusätzlich zu den Dächern. Dafür würde die Fläche für Energiepflanzen von 14% auf ca. 5% gesenkt werden.

Energiepflanzen und Flächenbedarf

In Deutschland werden laut Aussage von Dr. Christine von Buttler zur Zeit ca. 14% der Ackerflächen= 1,3 Millionen Hektar zum Anbau von Energiepflanzen benutzt. Ein Hektar kann im Jahr etwa den Energiegehalt von 5000 Litern Heizöl liefern.

Photovoltaik benötigt für dieselbe Energieproduktion eine weitaus kleinere Fläche. Größenordnungsmäßig würde für dieselbe Energie nur 1/50 der Fläche benötigt. Das heißt, um alle KfZ hierzulande mit Benzin aus Energiepflanzen zu betreiben, müsste ca. 50 mal mehr Fläche benutzt werden, als wenn man die Fahrzeuge elektrifizieren und den Strom dann mit PV produzieren würde. Ähnlich sieht es auch beim Heizen von Häusern aus.

Biodiversität

Die Biodiversität auf einem Acker ist lt. Studien kleiner als die Biodiversität auf einer Freiflächen-Photovoltaikanlage, die in Südrichtung konventionell aufgeständert ist. Unter der PV-Anlage wächst dann z.B. Gras. Dieses kann z.B. durch Nutztiere abgeweidet werden.

Agro-PV

Wissenschaftliche Forschung zur Kombination von Photovoltaik und Landwirtschaft auf derselben Fläche zeigt, dass die Gesamtproduktivität größer ist als bei zwei nebeneinander liegenden Flächen wäre, von denen eine nur für PV und die andere nur für Landwirtschaft benutzt wird.

Allerdings haben derartige Installationen Einschränkungen für die Landwirtschaft zur Folge. So kann etwa nicht so effizient mit großen Maschinen gearbeitet werden.

https://www.pv-magazine.de/themen/agro-photovoltaik/

Dachflächen

Ökologisch ist es sicherlich sinnvoller, bereits versiegelte Flächen wie Dächer, Parkplätze usw. mit Photovoltaik auszustatten. Allerdings ist dies mit praktischen Hürden versehen. Um die von der Lampertheimer PV-Anlage erreichbaren 5 MW Peak auf Hausdächern zu installieren, müsste man ca. 500-1000 Hausbesitzer motivieren, eine PV-Anlage anzubringen. Das ist schwer zu erreichen.

Auch sind Installationen auf Dachflächen je kWh teurer. Solange noch kein Gesetz zur Aufhebung der Deckelung der EEG-Förderung durch die Bundesregierung beschlossen ist, könnte in wenigen Monaten über den Eigenbedarf hinaus gehende Dachflächen-Installationen nicht mehr rentabel sein werden. Daher ist es nützlich, wenn die Energie Ried Erfahrungen mit Freiflächen-Anlagen sammelt.

Stromtrassen

Durch die dezentrale Verteilung der Energieproduktion in der gesamten Bundesrepublik kann der Energiebedarf mit weniger Stromtrassen ausgeglichen werden.

CO2-Emissionen

Bei der Herstellung von Energiepflanzen werden ebenso wie bei anderen Agrarprodukten CO2-Emissionen verursacht. Die Kostenschätzung des Umweltbundesamt für eine Tonne CO2 geht von Schäden von 180€ je Tonne aus. Dabei geht dieser Wert von einem Zeitpräferenz von 1% aus, die aus Sicht des Klimaethikers Dieter Birnbach ethisch fragwürdig ist. Ohne diese Zeitpräferenz wäre der Wert bei 640 € je Tonne CO2.

Lt. Umweltbundesamt emittiert die deutsche Landwirtschaft im Jahr 66,3 Milltonen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht bei 180 €/Tonne CO2 also einem Umweltschaden durch die Landwirtschaft von 11,9 Milliarden € pro Jahr.

Lt. Statista.de beträgt der Gesamtumsatz landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland 38 Milliarden € pro Jahr. Unter Berücksichtigung der Umweltschäden durch CO2-Emissionen sind Energiepflanzen auch deswegen keine Alternative zu PV-Freiflächenanlagen.

Verlust von Ackerflächen durch Klimawandel

Während die BAG Energie von einem Einsatz von 1,5 bis 4 % der Ackerflächen ausgeht, um den Klimawandel zu begrenzen, würde ein ungebremster Klimawandel weit größere Verluste an Ackerflächen in Deutschland verursachen.

Die Prognosen insbesondere für Ostdeutschland besagen, dass in wenigen Jahrzehnten der Osten Deutschlands deutlich zu wenig Regen erhalten könnte. Bereits im Sommer 2019 haben Landwirte zum Teil über 70%-ige Ernteausfälle berichtet. Das was 2018/2019 als Extreme Hitze mit Dürre betrachtet wurde, könnte bereits im Jahr 2035 weitgehend normales Wetter werden und bis zum Jahr 2070 als eher kühle Phase gelten.

https://www.deutschlandfunk.de/zwei-grad-mehr-in-deutschland.740.de.html?dram:article_id=252206

„Zwei Grad mehr in Deutschland“ bei der Stadtbücherei Worms

Finanzbedarf

Wenn Deutschland in den nächsten 20-30 Jahren seinen Energiebedarf ohne CO2-Emissionen decken muss, so bedeutet das einen enormen Investitionsbedarf.

Das Basisszenario der BAG Energie setzt ca. 500 GW Photovoltaik auf Hausdächern und 400 GW auf Freiflächen an, um 50% des Energiebedarfs der BRD zu decken. Bei ca. 1€ Investitionssumme je Watt PV Peak sind also größenordnungsmäßig 900 Milliarden € Investitionen bis 2050 zu leisten.

Daher kommt mir das Argument von Erhard Renz, dass die gewählte rechtliche Konstruktion mit der GmbH nicht optimal ist, weniger wichtig vor als die Tatsache, dass hier Player auf dem Energiemarkt ihr Kapital in PV statt in Gasleitungen und Ölquellen investieren.

Vergleich mit der Energiegenossenschaft Starkenburg

Die Energiegenossenschaft Starkenburg macht vorbildliche Arbeit und eine Zusammenarbeit von Kommunen mit der Genossenschaft ist wünschenswert.

Aber die Genossenschaft ist kein gutes Argument gegen die Installation von Freiflächen-PV. Während die geplante Freiflächenanlage in Lampertheim eine Leistung von 5 MW Peak mit einer einzigen Anlage erreichen sollte, hat die Energiegenossenschaft Starkenburg laut eigenen Angaben seit ihrer Gründung im Dezember 2010 insgesamt 3,16 MW Peak auf allen Dächern zusammen installiert.

https://www.energiestark.de/

Fazit

Obwohl es natürlich vorteilhaft wäre, zunächst möglichst viel Sonnenenergie von Dächern und anderen versiegelten Flächen zu beziehen, ist es dennoch nicht falsch, bereits jetzt auch Freiflächen PV-Anlagen zu installieren.

Dennoch hat die GRÜNE Fraktion Bürstadt sich gehen den Plan der Energie Ried entschieden.

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